Gagern

Gagern
Gagern,
 
1290 erstmals urkundlich erwähntes Uradelsgeschlecht mit dem Stammhaus Gawarne (später Gawern) auf Rügen. Der Tetzitzer Zweig der Familie blieb auf Rügen und trat in schwedische Dienste, ein anderer Zweig erlangte durch Heirat Besitz am Rhein und wurde 1731 in die Oberrheinische Reichsritterschaft aufgenommen. Ein nach Ungarn ausgewanderter Zweig der Familie erlangte erst 1903 den österreichischen Freiherrenstand. Bedeutende Vertreter:
 
 1) Friedrich Freiherr von, österreichischer Schriftsteller, * Schloss Mokritz (Krain) 26. 6. 1882, ✝ Geigenburg (bei Sankt Leonhard am Forst, Niederösterreich) 14. 11. 1947, Enkel von 5); schrieb naturnahe Jagd-, Tier- und Abenteuergeschichten, später auch Erzählungen von übersinnlichen Vorgängen.
 
Werke: Romane: Der böse Geist (1913); Die Wundmale (1919); Das nackte Leben (1923); Ein Volk (1924); Der tote Mann (1927); Die Straße (1929); Grüne Chronik (1948).
 
Erzählungen: Im Büchsenlicht (1908); Der Marterpfahl (1925); Geister, Gänger, Gesichte, Gewalten (1932); Der Jäger und sein Schatten (1940).
 
 2) Friedrich Balduin Freiherr von, General, * Weilburg 24. 10. 1794, ✝ bei Kandern 20. 4. 1848, Sohn von 3), Bruder von 4) und 5); trat 1813 in österreichischen und 1815 in niederländische Militärdienste, kämpfte 1843-47 in Indien, war danach Provinzkommandeur von Süd-Holland. 1848 übernahm er, ohne die Erlaubnis der niederländischen Regierung abzuwarten, den Oberbefehl über die gegen die von F. Hecker geführten Freischaren eingesetzten badischen und hessischen Truppen. Er fiel in einem der ersten Gefechte.
 
 3) Hans Christoph Ernst Freiherr von, Politiker, * Kleinniedesheim (bei Worms) 25. 1. 1766, ✝ Hornau heute zu Kelkheim (Taunus) 22. 10. 1852, Vater von 2), 4) und 5); wurde 1788 leitender Minister des Fürsten von Nassau-Weilburg. Während der Rheinbundzeit (1806-13) stellte sich der mit dem Freiherrn vom und zum Stein befreundete Gagern gegen die französische Herrschaft. Auf dem Wiener Kongress (1814/15) vertrat er den niederländischen König, danach war er bis 1818 Vertreter Luxemburgs beim Deutschen Bund. Aufgrund seiner die nationale deutsche Einheit anstrebenden politischen Einstellung wurde er auf Metternichs Druck entlassen.
 
 
H. Rössler: Zw. Revolution u. Reaktion (1958).
 
 4) Maximilian Freiherr von, Politiker, * Weilburg 5. 3. 1810, ✝ Wien 17. 10. 1889, Sohn von 3), Bruder von 2) und 5); anfangs in niederländischem, seit 1843 in nassauischem Dienst; trat 1843 zum Katholizismus über. Gagern unterstützte als Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung und Unterstaatssekretär des Auswärtigen im Frankfurter Reichsministerium die Politik seines Bruders Heinrich. Seit 1855 im Außenministerium in Wien, wurde er entschiedener Vertreter der katholisch-österreichischen und antipreußischen Richtung in der deutschen Politik.
 
 5) Wilhelm Heinrich August Freiherr von, Politiker, * Bayreuth 20. 8. 1799, ✝ Darmstadt 22. 5. 1880, Sohn von 3), Bruder von 2) und 4); Jurastudium in Heidelberg, Mitbegründer der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft (1818), trat 1820 in den hessisch-darmstädtischen Verwaltungsdienst ein, den er 1833 wegen seines Eintretens für liberale Reformen im Verwaltungswesen quittieren musste. Seit 1832 war er Mitglied der zweiten Kammer des Landtags, verzichtete aber 1836 auf eine erneute Kandidatur. Als führender liberaler Politiker wurde er 1847 im Darmstädter Landtag zum Sprecher der liberalen Opposition. Anfang März 1848 übernahm er kurzzeitig die Führung der hessischen Regierung. Nach dem Ausbruch der Revolution von 1848 gehörte er dem Vorparlament an und wurde am 19. 5. 1848 zum Präsidenten der Frankfurter Nationalversammlung gewählt. Gagern setzte die Wahl von Erzherzog Johann zum Reichsverweser durch (29. 6. 1848. Nach dem Rücktritt von A. Ritter von Schmerling führte er die Reichsregierung (18. 12. 1848 und versuchte mit dem gagernschen Programm (Schaffung eines »Engeren« und eines »Weiteren Bundes«) die Lösung der deutschen Frage voranzutreiben. Als er damit scheiterte, setzte er sich mit den Erbkaiserlichen für die kleindeutsche Lösung ein und brachte eine Mehrheit für die Wahl König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen als »Kaiser der Deutschen« zustande (28. 3. 1849. Nachdem dieser die ihm angebotene Kaiserkrone ausgeschlagen hatte (3. 4.; endgültig 28. 4.), erklärte Gagern am 21. 5. 1849 seinen Austritt aus der Nationalversammlung. Er unterstützte in der Folge zunächst die preußische Unionspolitik, setzte sich nach 1862 aber für die Reform des Deutschen Bundes ein.

Universal-Lexikon. 2012.

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